Schule ohne Noten, aber mit guten Werten!
Oder, als Angler und Schüler gemeinsam die Schulbank drückten.
Sonntagsmorgens 9.00Uhr!
Auf dem Schulhof der Realschule in Jülich treffen immer mehr Fahrzeuge ein, denen seltsame, meist grünlich gekleidete Personen entsteigen. Alle halten geheimnisvolle, milchig-trübe Plastikflaschen in ihren Händen und verschwinden im inneren der Schule. Auch einige Schüler treffen ein und betreten tatsächlich an einem Sonntag und dazu noch freiwillig das Gebäude. Ein Schüler bewacht die Eingangstür und schließt sie hinter jedem Neuankömmling sofort wieder ab. Seltsam , seltsam, was geht hier vor?
Alle steigen die Treppe empor und verschwinden in einem Raum der oberen Etage.
Chemieraum, steht auf dem kleinen Schild neben der Tür, durch die ein Gewirr von sonoren Männer-, hellen Mädchen-, sowie vom Stimmbruch angekratzten Jungenstimmen dringt. Hinter den gekachelten Bänken stehen „Jung und Alt“ paarweise zusammen und mixen seltsame Tinkturen.
„Doktor Jekyl“ läßt grüßen?
Aber nein! Hier wird weder aus „alt“ - „jung“, noch umgekehrt, zumindest nicht körperlich. Beim Austausch auf der geistigen Ebene sind da schon eher Annäherungen zu erkennen.
Die Sache scheint jedenfalls sehr viel Spaß zu machen. Doch den möchte ich jetzt einmal, zumindest aus meinen Worten nehmen und den Zusammenhang dieser Symbiose näher erklären.
1998 wurde diese Gemeinschaft durch das Engagement des Chemielehrers Freyaldenhoven und der Gewässerhegegruppe des Fischereibezirks „Jülich-Düren“, ins Leben gerufen.Die aus den Gewässerwarten der 8 Rur- Anrainervereine bestehende Hegegruppe versuchte schon seit einigen Jahren mit den, ihnen zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden, die chemischen Parameter der Rurstrecke von Düren bis Körrenzig, zu kontrollieren und aufzuzeichnen.
Als Chemielehrer Freyaldenhoven davon erfuhr, war sofort sein Interesse geweckt und er besuchte uns an einem der Untersuchungstermine im Clubheim des ASV Jülich. Er sah, staunte und stellte einige interessante, aber für uns Laien, kaum
nachvollziehbare Fragen aus den Geheimnissen der Chemie. Ich glaube, dass ihn nur seine zurückhaltende Art davon abhielt, aufgrund unserer laienhaften Analyse-methoden, die Hände über dem Kopf zusammenzu-schlagen. Vielmehr erklärte er uns höflich, dass sich unter diesen dürftigen
Bedingungen,doch der ein oder andere Messfehler einschleichen könnte.
Er hielt dann auch nicht lange mit der hervorragenden Idee hinter dem Berg, dass doch die Schüler seiner „AG Chemie“ und die Angler, zu einer Zweckgemeinschaft vereint, den Chemieraum seiner Schule nutzen könnten, um hier mit genaueren Meßmethoden die chemischen Daten der Rur in den Griff zu bekommen. Praxisbezogene Untersuchungen seien auch in der Schule gefragt und der Hegegruppe kämen sie schließlich auch zugute.Nachdem, bei einer weiteren Besprechung, die zu untersuchenden Parameter, die Anzahl der Proben und damit auch die Probestellen festgelegt wurden, ließen sich die benötigten Reagenzien ermitteln, die bei der Firma „Macherey und Nagel“ in Düren bestellt wurden.
Da auch der Schulleiter Herr Hansen und der Vorsitzende des Fördervereins Herr Jung die gemischte Gruppe, nicht mit gemischten Gefühlen, sondern äußerst positiv betrachten, wurde man sich über deren Finanzierung schnell einig und so teilen sich Angler, Schule und Förderverein die aufkommenden Kosten.
Es machte schon Freude zuzusehen, wie hier „alter Angleradel“ und 14 - 16 jährige Schüler am Sonntag freiwillig die Schulbank drückten und den Beweis antraten, „Alt und Jung“ geht doch und es machte noch mehr Freude, mitmachen zu dürfen!
...und wir durften! -3 mal im Jahr- von 1998 bis 2014
Was dabei herauskam, lässt sich hier als PDF Datei ansehen und herunterladen.
Chemie der Rur im Jahr 2001 : Chemie 2001.pdf
Man bedenke jedoch, dass chemische Werte in einem Fließgewässer immer nur eine Momentaufnahme darstellen, die sich kurzfristig ändern können. Dagegen sind bei biologischen Untersuchungen viel längere Zeiträume kontrollierbar. Auch in der örtlichen Presse fand diese Zusammenarbeit schon Beachtung, die sich im übrigen nicht nur auf chemische Untersuchungen bezieht. Es werden parallel auch biologische Gewässergütebestimmungen anhand des Saphrobienindexes durchgeführt.
Jedenfalls wollten Angler und Schüler über die Gewässerqualität unserer Rur bestens informiert sein!
Leider wurde 2015 die Realschule in Jülich aufgelöst und eine neue Symbiose
"Schüler-Angler" ist zu diesem Zweck noch nicht gefunden worden.